Durch einen Ehevertrag können alle gesetzlichen Scheidungsfolgen ausgeschlossen werden, das hat der BGH in einem Beschluss vom 8. Oktober 2014 Az. XII ZB 318/11 festgestellt.
Es ging in diesem Fall um die Scheidung einer Ehe zwischen einem Zahnarzt und einer Physiotherapeutin. Beide hatten kurz vor der Eheschließung im Jahre 1994 einen Ehevertrag geschlossen, in dem sie sowohl den Zugewinnausgleich, den Versorgungsausgleich, als auch den nachehelichen Unterhalt (außer den Betreuungsunterhalt) ausgeschlossen hatte. Die Ehe war kinderlos geblieben. Im Jahr 2011 wurde die Ehe geschieden.
Die Ehefrau verlangte – entgegen der Vereinbarung im Ehevertrag – die Durchführung des Versorgungsausgleiches.
Das Amtsgericht lehnte das ab. Auf die Beschwerde hin führte das Kammergericht (das ist das OLG von Berlin) den Versorgungsausgleich durch und teilte die Anwartschaften des Ehemannes im Zahnärzteversorgungswerk. Der BGH hob die Entscheidung des Kammergerichtes auf und stellte die Ursprungsentscheidung des Amtsgerichtes wieder her.
Dabei stellte der BGH Folgendes klar:
1. Ein Totalausschluss aller Scheidungsfolgen ist grundsätzlich möglich, selbst dann, wenn dadurch ein Ehepartner objektiv benachteiligt wird. Ein solcher Ausschluss ist erst dann sittenwidrig und unwirksam, wenn die Benachteiligung des einen Ehepartners auf einer gestörten Vertragsparität beruht: Das ist der Fall, wenn sich der benachteiligte Ehepartner in einer deutlich schwächeren Verhandlungsposition befindet (z.B. die schwangere Ehefrau, der gerade eingereiste ausländische Ehepartner) und deshalb den ihn voraussichtlich benachteiligenden Regelungen zustimmt.
Anpassung des Vertrages nur dann, wenn nachträgliche Änderung der Ehegestaltung einvernehmlich erfolgte
2. Stellt sich im Zeitpunkt der Ehescheidung heraus, dass der Vertrag dazu führt, dass eine Vertragspartei ohne jede Altersvorsorge ist, so rechtfertigt auch dies eine nachträgliche Korrektur des Ehevertrages nur, wenn die Abweichung der tatsächlichen Lebensverhältnisse von den ursprünglichen Lebensverhältnissen einvernehmlich erfolgte. Das Argument dafür ist, dass bei einvernehmlicher abweichender Gestaltung der Lebensverhältnisse sich auch der ursprünglich begünstigte Ehepartner vom Ehevertrag distanziert und damit nicht mehr schutzwürdig ist.
Dies ist ein Unterschied zur Rechtsprechung bei ehebedingten Nachteilen hinsichtlich Ehegattenunterhalt. Dort reicht es grundsätzlich, dass sich das Leben anders entwickelt hat als geplant und diese andersartige Entwicklung zu ehebedingten Nachteilen geführt hat – egal ob die Eheleute sich über die veränderte Berufsausübung einig waren.
3. Selbst wenn der Ehevertrag aber nachträglich anzupassen ist (sogenannte Ausübungskontrolle), führt das nicht dazu, dass der Versorgungsausgleich nunmehr schematisch nach den gesetzlichen Regeln durchgeführt wird: Zwar hat das Gericht den Vertrag auf die geänderten Lebensverhältnisse anzupassen. Diese Anpassung darf aber nicht dazu führen, dass der den Versorgungsausgleich begehrende Ehepartner besser steht, als er ohne Ehe gestanden hätte.
Im hier entschiedenen Fall hatte die Ehefrau zu keinem Zeitpunkt die Absicht gehabt, klassische Altersvorsorge aufzubauen. Sie hatte Altersvorsorge durch eine kapitalbildende Versicherung und durch Aufbau von Vermögen in Form einer physiotherapeutischen Praxis betrieben. Sie hätte also auch ohne Ehe ohne jede klassische Altersversorgung im Sinne des Versorgungsausgleichs dagestanden.
4. Weiter betont der BGH, dass ein Gericht bei einer zulässigen und erforderlichen Anpassung des Vertrages grundsätzlich daran gehindert ist, in den Zugewinnausgleich, der hier auch ausgeschlossen war, einzugreifen. Der BGH betont, dass Zugewinnausgleich und Versorgungsausgleich streng voneinander getrennt sind und nur in ganz seltenen denkbaren Ausnahmefällen eine Ausübungskontrolle dazu führen darf, dass von dem einen Ausgleichsinstitut in das andere übergegriffen wird. Ganz ausgeschlossen hat es der BGH allerdings nicht.
Das Pendel schwingt langsam wieder zurück, Eheverträge scheinen in der Tendenz eher gehalten, als gekippt zu werden.
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